Hintergrund

Die hohe Dynamik und zunehmende Komplexität der digitalen Transformation stellt die öffentliche Verwaltung vor Herausforderungen. Die Einbindung eines breiten Ökosystems externer Lösungspartnern, auch Start-ups, kann einen wichtigen Beitrag leisten, um als Verwaltungsorganisation technologisch wie auch arbeitskulturell zu innovieren. „GovTech“ als Begriff beschreibt hier die Zusammenarbeit von Technologie-orientierten Start-ups und dem öffentlichen Sektor, vor allem Verwaltungen. Vor diesem Hintergrund ist der europäische GovTech-Markt in den letzten Jahren von einem stetigen Anbieterwachstum geprägt. Der Datendienst GovMind zählt aktuell über 1.000 GovTech Start-ups in Europa und ca. 300 in Deutschland. Zeitgleich wächst auch das politische Interesse. Mit dem GovTech Campus Deutschland e.V. gründeten Bund und (auch hier im Studienkonsortium vertretene) Länder einen Verein, der zum Ziel hat, einen unmittelbaren Berührungspunkt zwischen Technologieunternehmen sowie dem GovTech-Ökosystem und der Verwaltung zu schaffen, um Vernetzung, Austausch, Kollaboration und Co-Creation zu ermöglichen.

Die Entwicklung regionaler GovTech-Ökosysteme ist trotz hohen politischen Interesses mit zentralen Herausforderungen verbunden. Im Vergleich zu etablierten Marktakteuren, wie etwa IT-Konzernen oder öffentliche IT-Dienstleistern, ist eine systematische Innovationsbeschaffung von Verwaltungen bei Start-ups wenig verbreitet. Gründe hierfür sind oft fehlendes Marktwissen, scheinbare Hürden im Vergaberecht oder unterschiedliche Vorgehens- und Denkweisen bei der Lösungserarbeitung (vgl. auch https://www.it-planungsrat.de/beschluss/beschluss-2021-51). International und national, vor allem auf Ebene der Bundesländer, wird daher nach funktionierenden Lösungen für diese Herausforderungen gesucht. Einzelne Beispiele sind das „Venture Clienting“ (Zusammenarbeit der Behörde mit einem Start-ups als früher strategischer Kunde mit einem hohen Grad kooperativer Lösungsentwicklung), „Investoren-Modell“/“Inkubator“ (vollständige oder teilweise Akquise eines Start-ups durch Verwaltungen oder deren IT-Dienstleister) oder „Innovation Labs“ (eher lose, oft an gemeinsamen Räumlichkeiten & Veranstaltungen orientierte Zusammenarbeit von Start-ups und Behörden). 

Beim Aufbau eines GovTech-Ökosystems stehen öffentliche Einrichtungen aktuell zentralen, bislang unbeantworteten Fragen gegenüber. A) Unter anderem liegen zwar aktuell erste deskriptive Übersichten existierender GovTech-Labore vor (z.B. in den Dimensionen Mitarbeitendenzahl, Gründungsjahr, Trägerschaft etc.), eine systematische Analyse und Darstellung der zugrundeliegenden wirtschaftlichen Aspekte (z.B. Beteiligungs- und Fördermodell) bleibt die aktuelle Literatur jedoch schuldig. B) Aktuelle Analysen beziehen sich auf existierende GovTech-Labore, d.h. den Public Sector. Allerdings liegen große Potenziale in der Betrachtung und möglichen Übertragung bislang allein im wirtschaftlichen Bereich etablierten Organisationsmodelle, die bislang keine oder kaum Anwendung im öffentlichen Sektor erfahren haben (z.B. „Company Builder“ oder „Venture Studios“). C) Die Wirkungsweisen unterschiedlicher Organisationsformen beim Aufbau eines GovTech-Ökosystems sind bislang nicht systematisch untersucht worden. Diese Erkenntnisse sind jedoch für eine fundierte Entscheidung unabdingbar. D) Ebenfalls fehlt aktuell Wissen darüber, welche GovTech-Organisationsformen für welche staatlich-regionalen Rahmenbedingungen speziell geeignet sind.